Montag, 21. Juni 2010

Wer profitiert von "moderner" Solarstromförderung?

Eine polit-ökonomische Provokation

von Sophia Sinner

"Kapital", sagt der Quarterly Reviewer, "flieht Tumult und Streit und ist ängstlicher Natur. Das ist sehr wahr, aber doch nicht die ganze Wahrheit. Das Kapital hat einen horror vor Abwesenheit von Profit oder sehr kleinem Profit, wie die Natur vor der Leere. Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. Zehn Prozent sicher, und man kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent, positiv waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300 Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf Gefahr des Galgens. Wenn Tumult und Streit Profit bringen, wird es sie beide encouragieren. Beweis: Schmuggel und Sklavenhandel." - P. J. Dunning, zitiert in Das Kapital, Band I, S. 801, Dietz-Verlag Berlin, 1961


Der Besucher diverser Messen zum Thema "Haus und Garten" oder "Bauen und Wohnen" trifft auf seinem Rundgang nicht nur auf Anbieter von Dachziegeln, Installationstechnik oder Blumenzwiebeln, sondern auch auf Stände, die ihn über angrenzende Themen informieren. Es ist legitim, daß man auf einer Bau-Messe auch Bau-Sparverträge vorgestellt bekommt. So kann man seinen geplanten Bau vielleicht noch besser finanzieren. Interessant ist, daß an einigen Ständen, wo großflächige Solarzellen werbewirksam ausgestellt sind, keineswegs Solarzellen gekauft oder bestellt werden können - sondern ordentliche Renditen angeboten werden. Es sind praktisch Bankengeschäfte, die dort unter den Solardächern angebahnt werden. Denn: "Wer ein Solardach errichtet - nützt der Umwelt - und sich selbst." Wer aber lediglich das Geld dazu hergibt - also sein Kapital investiert, der macht richtig Profit. Zwischen 180 und 300 Prozent in 20 Jahren, bis zu 15% p.a. also.


Die Profitrate - von Marx-Vermeidern auch gern "Rentabilität" oder "Kapital-Rentabilität" genannt, drückt bekanntlich das Verhältnis zwischen dem erzeugten Mehrwert und dem dafür notwendig einzusetzenden Kapital aus.

Die in der Bundesrepublik gesetzlich verankerte Förderung von Solarstrom verhilft den Anlegern von Kapital (auch Kleinanlegern) zu einer höheren Profitrate, indem der Mehrwert durch Umlage der Prämie für Solarstrom auf alle Stromkunden generiert wird. Es fördert also nicht der Staat, sondern jeder Stromverbraucher die neue Technologie mit freudigem Herzen. Denn alle lieben Solarstrom - so lange sie nicht wissen, wer den Plusprofit bezahlt. Die Entscheidung über die absolute Höhe der Förderung - die Beteiligung des einzelnen Stromkunden an diesem profitablen Geschäft also - liegt hauptsächlich beim Kapital-Anleger. Wo auch immer dank angelegten Kapitals ein neues Solarkraftwerk entstehen kann, wird Profit fällig. Der Verbraucher stützt den Anleger - per Gesetz. In den letzten 12 Monaten stiegen die Strompreise um 6,6 Prozent. Für 2011 werden bereits jetzt 12 Prozent Erhöhung angekündigt, die wir gern in Kauf nehmen - natürlich auch  für Lagerung, Transport und Erzeugung von Lebensmitteln und anderen Waren des täglichen Bedarfs. Oder?

Das Energie-Einspeisungsgesetz (EEG) macht es möglich - und das ist politisch gewollt. Warum sollte Profit auch nicht politisch gewollt sein - bei den gegebenen Mehrheiten im Bundestag seit 1949. Gewollt schon - aber von wem alles?

Eines hätten sich Marx und Engels nicht träumen lassen: Daß DIE LINKE sich in ihrem Programmentwurf 2010 einmal so für die Erhöhung der Profitrate, für die Interessen von Kapital-Anlegern ("Kapitalisten") einsetzen würde. DIE LINKE - eine wahrhaft moderne Partei, die noch nicht einmal 20 Prozent Profit sehen muß, um lebhaft zu werden.

Während aktuell gewisse Lehren von Marx (z.B. über Finanzkrisen) seitens bürgerlicher Parteien eine doch erstaunliche Aufmerksamkeit erfahren, trennen sich Marx' erklärte "Erben" von dessen "unmodernen" Auffassungen über das Wesen des Profites, dessen Eigenschaft als "innerste Triebkraft" der kapitalistischen Produktionsweise seit langem selbst von bürgerlichen Ökonomen anerkannt ist.

Oder wie erklärt sich sonst der Rausch der Zustimmung zum Energie-Einspeisungsgesetz - in "linken" Parteidokumenten?

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