Sonntag, 16. Mai 2010

Ein schöner Schwede - höflich beklatscht

von Reinhard Heinrich 
Um es gleich vorher zu sagen: Ich werde unbedingt wieder in die Komödie gehen. In jedes andere Stück. Nun aber gerade, wo diese nicht subventionierte Bühne Schwierigkeiten mit dem Vermieter hat.
Die Dresdner lieben ihre Theater mehr, als Vermieter sich vorstellen können. Und sie lieben von Herzen ihre Schaupieler, auch ein wenig ihre Autoren und Komponisten. Weniger lieben sie das neue, ungewohnte Niveau auf der Bühne.


Szenenfoto: Komödie Dresden
Die Komödie "Der schöne Schwede" von Laurence Jyl, eine Produktion der  Komödie Bochum, erfuhr bei der Premiere am 14. Mai 2010 in Dresden eine höfliche aber reservierte Aufnahme. Dabei ließ das Publikum keine der wenigen Gelegenheiten zum  Lachen aus. Schon nach der ersten Szene gab es Applaus, so frisch und lebendig spielte Lesley Higl (TV-bekannt als Eden im "Marienhof") die kesse junge Dame, die in einer fremden Wohnung eigentlich nur die Blumen gießen soll und kurz nacheinander immer verrücktere (Schein-)Welten entstehen läßt. Auch Jochen Schroeder (TV-bekannt als Pfleger Mischa aus der "Schwarzwaldklinik") als schwedenblonder Hermann legte sich voll ins Zeug. Aber sie schienen sich beide nicht immer sicher zu sein, wer sie im Augenblick gerade sind. Die Spielperspektive wechselte ständig. Das liegt auch am Stück.


Wenn ein Profi-Schauspieler einen unbegabten Laien-Schauspieler schau-spielt, so weiß der Zuschauer nie: Sind die jetzt so ungeschickt, oder tun die nur so? Andererseits: Wenn ein schnellfeuernder deus ex machina  - in Gestalt des  Telefons oder der Türglocke - immer wieder ohne Vorbereitung eine neue Situation herstellt, die Handlung unmotiviert jähe Wendungen erleidet, dann ist der Zuschauer hilflos. Dabei hätte man das sicherlich alles spielen können, was in die nächsten Situ- nein: Katastrophe hineinführt. Dann wäre statt Hektik Turbulenz gewesen, wenigstens Klamotte statt Chaos. Und Klamotte wissen die Dresdner durchaus zu schätzen - ab einem gewissen Niveau, wie die Komödie mit der sensationellen "Baba Jaga" bewiesen hat.

"Der schöne Schwede" ist ein irgend etwas, das nach etlichen Verbesserungen möglicherweise mal eine anständige Klamotte werden kann - mit etwas Glück und viel Geschick.
Da konnte auch Ulrike Mai als grandiose und generöse Beatrice nichts herausreißen. Ihr Text gab es einfach nicht her. Und der vierte Darsteller, Michael Brinkmeyer - als Paul - hatte erst gar keinen. Na, wer weiß, wofür es gut ist.

Die Wiener Zeitung schrieb 2009 über das Stück, das dort unter dem Titel "Ein Mann für alle Fälle" aufgeführt wurde: "Verlierer im Doppelpack können Gewinner werden." Stimmt im Prinzip. Wünschen wir es der Kömödie und ihren Darstellern, daß sie mit dem Stück doch noch gewinnt. Sonst bleibt es halt bei "gewollt und nicht gekonnt".

2 Kommentare:

  1. Zutreffende Beschreibung, aber Paul sagt ein Wort:
    "Uri" (auf die Frage nach seiner Herkunft).

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  2. Da ich das Stück durch das Anrecht meiner Eltern auch gesehen habe (ich durfte vertretungsweise hin) kann ich nur zustimmen. Das Niveau ist ungewöhnlich für das Haus. Nicht immer war alles gut, aber eine derart spartanische Inszenierung überrascht doch eher. Vielleicht sind es ja gewollte künstlerisch stilistisches Mittel die da zum Tragen kommen??

    Wie ich in den Zeitungen gelesen habe, hat der Intendant (der ja sicherlich noch für diese Spielzeit verantwortlich war) gekündigt und wird für den Nachmieter arbeiten. Vielleicht bleibt ja dadurch wieder alles offen und man kann gespannt sein, was die Komödie aus der Zukunft macht. Bleibt zu hoffen, dass Sie wieder an Anspruch gewinnt. Ich wünsch ihr alles Gute und bessere Stücke!

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