Montag, 26. Oktober 2009

Sachsen, Hadleyburg und Brandenburg

Ein mißtrauischer Blick auf die Landkarte
von Sophia Sinner
Eine burleske Geschichte 
In "Der Mann, der Hadleyburg korrumpierte" (The Man That Corrupted Hadleyburg) beschreibt Mark Twain den Umgang amerikanischer Kleinbürger mit - nein - nicht mit der Macht - vielmehr: der Gelegenheit zu Macht.
"Gelegenheit macht Diebe" - und mehr.

Die Kleinbürger von Hadleyburg waren immer brave Leute - bis einer sie in Versuchung führte.

Was aber hat das mit dem linken Sachsen zu tun?

Nun, das linke Sachsen schien lange, von weitem gesehen, voller prächtiger Gelegenheiten für junge Menschen, die "vom Kreissaal über den Hörsaal in den Plenarsaal" strebten. Exempel aus dem Leben zeigten, daß das auch oft klappt. Nirgends war es so leicht wie im Freistaat mit der überalterten, aber doch noch bundesweit mitgliederstärksten PDS, den alten Genossen ein Leuchten in die Augen zu zaubern, ihren Glauben an die Zukunft zu nähren und sich selbst hinzustellen: " Die Enkel, die's besser ausfechten - das bin zum Beispiel ich." Dankbarer Applaus in der Ortsgruppe, gefälliges Nicken auf dem Parteitag, Hauen und stechen hinter den Kulissen folgte. Manchmal ragte auch eine Dolchspitze hinaus auf die offene Bühne. Wenn ein langjähriger Landesgeschäftsführer den langjährigen Fraktionsvorsitzenden jäh zu stürzen versuchte - zum Beispiel. Die Gelegenheit schien einfach zu gut.
Eine sichere Sache
Aber insgesamt lief das Geschäft mit der Aussicht auf sichere Plätze von Parteivorstands Gnaden im Landtag so glatt, daß es ständig wiederholt wurde, ungeachtet öffentlicher Zweifel an der innerparteilichen Demokratie, zu denen das sächsische Verfassungsgericht in Leipzig schon 2004 auf Anfrage einer Kritikerin des Verfahrens lediglich urteilte, an die Demokratie innerhalb einer Partei habe es nicht gleich hohe Maßstäbe anzulegen, wie an die öffentliche. Auf gut sächsisch: "Macht doch eiern Dreck alleene."

Die absolute Macht über Listenplätze wurde aus dem Landesvorstand heraus jahrelang verteidigt, als sei sie das höchste Gut der Partei. Die alten SED-Genossen waren es ja auch  gewohnt, Vorgaben der "übergeordneten Leitung" zu erfüllen. Was sonst?

Nun hatte aber Stefan Heym am 4. November 1989 auf dem Alexanderplatz in Berlin mit Recht gesagt: ‚Macht korrumpiert, und absolute Macht korrumpiert absolut.‘“

Auch Macht über Mandate ist reine Macht. Warum also soll ausgerechnet sie nicht korrumpieren? Und das blieb nicht verborgen.

Die Wirkung wurde 2009 exakt meßbar. DIE LINKE in Sachsen verlor gegenüber 2004 (PDS) bei den Landtagswahlen fast ein Viertel ihrer Wähler absolut. Daß auch anderen Parteien Wähler weg liefen, dämpfte den Absturz relativ. Erst, wenn entlaufene Wähler woanders andocken, wirkt es sich auch in Sitzverteilungen aus. Das ist anscheinend (noch) nicht geschehen.
Eine scheinbare  Nebensache von entscheidender Wirkung: 
DIE LINKE in Sachsen hat 2009 so gut wie keine Direktmandate gewonnen. Und es macht ihr anscheinend nichts aus.  Lediglich zwei der 25 Abgeordneten haben persönlich das mehrheitliche Vertrauen der Wähler erworben. Die übrigen 23 haben auf dem Landesparteitag ihren Listenplatz parteiintern erkämpft. Darum ging es offensichtlich - und nur darum. Die Verteilungsmacht war dem Wähler regelrecht entzogen. Und das war offensichtlich gewollt, es wurde jedenfalls vehement verteidigt.

Eine Partei, in der dieses Denken zur Tradition wird, mag sich in bürgerlichen Parlamenten etablieren. "Fünf Prozent wählen uns immer" - sagt einer der klügsten Köpfe unter den Befürworten dieser Methodik.

Es geht aber auch anders
In Brandenburg haben von 26 Abgeordneten der Linksfraktion 21 ein Direktmandat erkämpft. Die selben Personen hätten in Sachsen vermutlich um Listenplätze buhlen, hauen, stechen oder schleimen müssen. Die Verhältnisse in Brandenburg lassen das sinnlos erscheinen. Listenplätze bringen überwiegend nichts. Man muß schon selber gut sein, statt das pauschale Wählervertrauen in die politischen Richtung für sich persönlich nutzen zu können.

Innerparteilicher Wahlkampf in Brandenburg ist reinste Energieverschwendung.
Kandidaten in Brandenburg müssen sich zwingend an die Wähler wenden, statt an die parteiintern Mächtigen. Und wenn es auf Parteitagen zum Wettstreit kommt, dann höchstens darum, wer sich den Wählern zuerst direkt gegenüber stellt. Denn die Nummer zwei hat nur Aussicht auf einen schäbigen Listenplatz. Und das ist ganz offensichtlich ein Ergebnis minderer Güte. In Sachsen hingegen genügt es anscheinend den Ansprüchen  von 23 der 25 Abgeordneten.

Dieser Unterschied  im Anspruch ist ein qualitativer. Er bestimmt das Klima.
Hadleyburg ist jedenfalls nicht in Brandenburg. Die Korrumpiermaschine steht seit Jahren in Sachsen.

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